Waldorf Wave
Auch nach nahezu dreißig Jahren ist der Wave für mich einer der wichtigsten Synthesizer-Entwürfe, die ich gestalterisch voll umfänglich ausarbeiten durfte. Als vergleichbar kleiner Hersteller wagte sich die Waldorf Electronics an diese Mega-Entwicklung, die am Ende die Company auch an den Rand ihrer finanziellen Kapazitäten bringen sollte. Ich erinnere mich, dass Wolfgang Düren mit dem Wave vordergründig das Ziel verfolgte, die große Anzahl seiner eingekauften MicroWave Asics sinnvoll an den Mann zu bringen. Man muss dazu wissen, dass alleine die Erstellung eines eigenen Asics - im Falle Waldorf einem Chip, der die Magie der Wavetable-Synthese in einer kompakten, störunanfälligen Einheit unterbringt - zunächst hohe Vorkosten aufruft sowie die Abnahme einer sehr großen Anzahl von Asics verlangt. Wolfgang trieb die Sorge um, dass er die vielen, vielen Wavetable-Chips nicht alleine mit MicroWaves vermarkten konnte.
Womit er aber nicht rechnete, war ein gewisser Größenwahn, der uns nach Freigabe des Projektes ergriff. Uns, das waren Andreas Busse (Software und Asic-Design), Claudius Brüse (Konzeption und absoluter Synth-Nerd), Frank Schneider und Thomas Kircher (Hardware) und meine Wenigkeit (Produkt-Design und absoluter Synth Nerd). Als wir das Projekt Wave in Angriff nahmen, waren Synthesizer mit einem üppig haptischen User-Interface nicht wirklich hip. Ganz im Gegenteil, 19" Rackmodule, die per MIDI- Schnittstelle über Control-Keyboards angesteuert wurden, waren (Studio-) Standard. Allerdings konnte man schon eine gewisse Unzufriedenheit der Anwender wahrnehmen, die das sogenannte Menu-Diving zur Manipulation ihrer Sounds umständlich bzw. als nicht sonderlich direkt empfanden. Der Wave sollte ergo ein umfangreiches Bedien-Panel erhalten.
Nachdem Claudius ein grundlegendes Konzept für alle Modul-Einheiten entwickelt hatte, begannen wir beide diese sinnhaft und streng nach Signalfluss auf einer Fläche zu verteilen. Die benötigte Fläche wurde sukzessive größer. Um wirklich alle Funktionen unterzubringen, nahm das Panel bald ein Format an, das knapp über dem eines Oberheim Matrix 12 lag. Gut so. Größer, das fanden wir beide besser. Und neigbar. Wie beim MiniMoog. Das fanden wir auch gut.
Frank Schneider baute einen Funktions-Prototypen auf und hinterfütterte diesen mit ersten Platinen und den dazu gehörenden Potis und Tastern, so dass wir unser Konzept über einen großen Zeitraum prüfen und perfektionieren konnten.
Der Wave wurde bei seinem ersten Erscheinen auf der Musikmesse 1992 als Synthesizer-Superlativ der Neuzeit vorgestellt und wahrgenommen. Tatsächlich blieb an diesem Instrument kein Detail ungestaltet, weder im Aussehen, der Position oder der technischen Ausführung. Im Zentrum befindet sich eine komplett hinter Plexiglas liegende Steuereinheit. Der Wave ist 8-fach multitimbral und so finden sich 8 Fader direkt unter dem breiten LCD-Display sowie 8 Taster direkt darüber. Der Betriebsmodus wird über einen der 8 großen horizontalen Taster, die mittig auf der Trennfuge zwischen zentraler Bedieneinheit und der Synthesizer-Oberfläche platziert sind, selektiert.
Farbgebung, Materialien und Produktgrafik entsprechen dem für den MicroWave gefundenen Corporate-Design. Als Spotfarbe erschien uns ein warmes, zur Grundfarbe komplementäres Orange für dieses große Instrument schlüssiger als das Türkis-Blau des MicroWave. Alle Regler-Abstände entsprechen dem ergonomischen Ideal und können stets konfliktfrei bedient werden. Zentrale Funktionen sind mit roten Bedienelementen gekennzeichnet (Wavetable/Filter Cutoff/Store/Record). Für die Taster der 8 Betriebsmodi kommt als zusätzliche Farbe Indigo-Blau ins Spiel.
Jedes Modul enthält einen 45° geneigten "Edit"-Taster, der bei Betätigung alle untergeordneten Funktionen des Instruments über die zentrale Displayeinheit zur Verfügung stellt. Die Schrägstellung des Tasters vermittelt optisch ein (weiterführendes) "Slash"-Symbol.
Die Formgebung des Gehäuses drückt schon aufgrund des erheblichen Platzbedarfs für die interne Technik hohe Solidität aus. Die 61-Tasten Fatar TP8 Tastatur schmiegt sich zwischen ergonomisch optimal geneigte Endblöcke und steht optisch leicht über die Vorderkante des Gerätes hinaus. Das Bedien-Panel ruht mit geringer Neigung direkt dahinter und kann mithilfe zweier Gasdruck-Federn manuell in einen optimalen Arbeitswinkel gebracht werden. Das Panel selbst ist so schlank wie nur eben möglich gehalten und wird in Ruhezustellung seitlich von den massiven Holzwangen aus dunklem Kirschholz flankiert.
Alle Sichtteile des Gehäuses sind mit einer ultra-matten dunkelblauen Beschichtung lackiert. Der Farbton wurde speziell für alle Waldorf Produkte hergestellt. Die zentrale steingraue Plexiglas-Abdeckung ist mit einer Antireflex-Beschichtung versehen.
Die aus mehreren Teilen zusammengesetzte Frontblende war eine große herstellungstechnische Herausforderung. Aufgrund des hohen Seitenprofils des Gerätes wirkten einfache Holzwangen zu klobig. Durch Segmentierung und den Einsatz einer Metallblende im hinteren Bereich konnte eine angenehme seitliche Ansicht des Instrumentes erzielt werden. Speziell mit aufgestelltem Panel wirkt der Wave daher vergleichsweise schlank.
Wie bei all meinen Entwürfen berücksichtige ich schon ab den ersten Skizzen das Zusammenspiel von physikalischen Elementen und Produktgrafik. Die optische Balance ist mir dabei immer wichtiger als die unbedingte Übereinstimmung von vertikalen/horizontalen Mitten der Bedienelemente zueinander. Beim Wave war von Beginn an die rechte obere Ecke des Panels für das Logo vorgesehen.